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ür ein Burnout gibt es die unterschiedlichsten Ursachen und Auslöser. Sie reichen vom Perfektionismus und dem Nicht-Nein-Sagen-Können bis hin zum Beziehungsstress und Mobbing inklusive Beleidigungen von Kollegen. Was vielfach hinter diesen Gründen steckt, wird oft übersehen: Kränkungen. Der Volksmund sagt, „Kränkungen machen krank“ und das stimmt. Sie können ein wichtiger Grund für die Entwicklung eines Burnouts sein.

Was sind eigentliche Kränkungen?

Eine Kränkung ist eine psychische Verletzung. Jeder kennt sie. Dabei kann es sich um Beleidigungen, Abwertungen, Entwertungen bis hin zur Demütigung handeln. Auch eine Ausgrenzung, Beschämung und ein Nicht-Beachten können zur Kränkung führen. Umso näher uns die Person ist, umso schwerer wiegt die Kränkung.

Ganz gleich, um was für eine Kränkung es sich handelt, sie bringt uns häufig aus dem Gleichgewicht und kann sogar krank machen.

Unser Selbst ist verletzt. Viele schwerste Gewaltverbrechen wie Amokläufe und Beziehungstaten haben Kränkungen als ihre Basis. Selbstverständlich nimmt eine Kränkung nur selten so einen drastischen Verlauf, aber sie kann das Leben stark beeinträchtigen – bis hin zum Burnout.

Kränkungen sind menschlich

„Eine Kränkung ist eine völlig normale menschliche Reaktion. Gottseidank. Weil sie zeigt, dass wir empfindsam sind, dass wir durch bestimmte Dinge verletzbar sind.“ (Psychologin Bärbel Wardetzki)

Kränkungen fühlen sich zwar nicht angenehm an, aber sie sind per se nicht schlecht, meint die Psychologin. Sie sind die Ursache für die meisten zwischenmenschlichen Konflikte. Der Gekränkte fühlt Schmerz, Angst und oft auch Scham. Die Konsequenz daraus ist, dass er sich zurückzieht, was die Negativspirale in den Gang bringt.

Um aus ihr herauszukommen, solltest du bedenken, dass die meisten Kränkungen aufgrund narzisstischer Bedürfnisse empfunden werden.

Narzissmus ist ein sehr negativ behaftetes Wort, aber ein bisschen Narzissmus in Form von gesunder Selbstliebe und Selbstachtung ist unerlässlich. Im Grunde bedeutet das Wort narzisstisch nichts anderes als „den Selbstwert betreffend“.

Ob bei der Arbeit oder in der Beziehung: Es kann passieren, dass du dich nicht gehört und gesehen fühlst. Du denkst, du wirst nicht anerkannt und deine Bedürfnisse werden nicht beantwortet. Hieraus folgt ein Gefühl der Kränkung, was mit dem erwähnten Rückzug über die Empörung bis hin zur Aggression führen kann. Menschen, die ein Burnout entwickeln, häufen meist zahlreiche Kränkungen in sich an. Einen produktiven Umgang haben sie damit allerdings nicht gelernt und vornehmlich ist es das, was letztlich krank macht.

Kränkung: ein Blick in den Körper

Psychiater, Neurologen, Ärzte und viele andere Gruppen haben sich ebenfalls mit den Auswirkungen von Kränkungen auseinandergesetzt. Vor allem eine dauerhafte "Beschallung" durch Kränkungen ist Gift für Körper und Geist. Erzählt dir z. B. ein Kollege häufig, dass andere im Team schlecht über dich gesprochen haben, fühlst du dich verletzt. Wird man bei der Verteilung von Ressourcen unfair behandelt, empfinden dies die meisten Menschen als Kränkung. Oder wird jemand aus einer Gruppe ausgeschlossen, dann verletzt ihn dies. Und tatsächlich reagieren die Schmerzsysteme des menschlichen Gehirns nicht nur auf zugefügten körperlichen Schmerz, sondern auch auf soziale Ausgrenzung und Demütigung.

Durchaus nachvollziehbar. Per einer US Studie steigen bei diesen Personen die entzündungsfördernden Botenstoffe im Blut an und körperlicher Schmerz wird dadurch stärker wahrgenommen.

Kränkungen und Burnout: Was ist der Zusammenhang?

Eine psychische Verletzung hat immer einen Einfluss auf den Selbstwert. Das löst negativen Stress aus. Mit ihm steigt der Blutdruck und der Organismus aktiviert verstärkt Stresshormone. Gleichzeitig fährt er die Verdauungstätigkeit zurück.

Fühlen wir uns regelmäßig gekränkt oder erinnern wir uns kontinuierlich daran, entsteht ein Dauerstress.

Erfährst du beispielsweise bei der Arbeit oder in der Liebe häufig Entwertungen, Respektlosigkeit und Demütigungen, steigert sich kontinuierlich dein Stressniveau.

Langfristig löst dies körperliche und seelische Schäden aus, die letztlich als Ursache eine Kränkung haben.

Anstatt Verbitterung Kränkung neu bewerten

Kränkungen geschehen häufig. Der eine spürt sie mehr als der andere. Menschen, die ein Burnout entwickeln, sind oft sehr empfindsam. Unter anderem liegt es an ihrem Perfektionismus, der ihnen diktiert, es müsse immer alles glattlaufen. Passiert dies nicht, empfindet derjenige dies in Folge als Kränkung. Das Leben lehrt uns, dass es ohne Kränkungen nicht geht. Selbst bei der größten Kompetenz geschehen Dinge, die wir nicht steuern können. Hieraus entsteht ein Spannungsfeld: Zum einen benötigen wir Selbstwirksamkeit, um überhaupt dem Leben mit all seinen Schwierigkeiten zu begegnen und zum anderen müssen wir begreifen, dass dieser selbst- oder fremdauferlegte Perfektionismus seine Grenzen hat. Niemand ist immer allen Anforderungen gewachsen. Anstatt nun in die Verbitterung abzudriften, ist es wichtig, sich frei von dieser Fehlwahrnehmung über das Leben zu machen.

Der Gedanke, dass alles schlecht ist, wenn es nicht perfekt läuft, muss aus dem Kopf raus. Nur so bleibt die Psyche gesund.

Kränkungsverarbeitung: der richtige Umgang mit Frustration und anderen Gefühlen

Da du Gefühle hast, wirst du auch immer Kränkungen empfinden, wenn sie passieren. Wichtig ist nur, wie du mit ihnen umgehst. Ein wichtiger Baustein für einen produktiven Umgang mit Kränkungen wird schon in der Kindheit gelegt. So sollten Eltern einem Kind nicht alles abnehmen. Lässt man seine Kinder selber erfahren, welche Konsequenzen das eigene Verhalten mit sich bringt, können sie ungeschönt lernen, welche tatsächlichen Grenzen es im Leben gibt. Dies beugt späteren Kränkungen vor. Natürlich alles altersangemessen und nicht mit dem Ziel, mit diesen Maßnahmen zu bestrafen. 

Ein Beispiel: Die Eltern sind auf ein Fest eingeladen und das Kind bleibt mit einem Babysitter zu Hause. Ihm wurde vorher erklärt, wie der Abend ablaufen wird und wann die Eltern wieder heimkommen. Trotzdem schreit und weint es, da es nicht möchte, dass Mama und Papa weggehen. Hiervon sollten sich die Eltern nicht am Weggehen hindern lassen, denn dies ist eine zumutbare Erfahrung für das Kind. Zwar fühlt es sich im Moment verlassen und gekränkt, aber es wird feststellen, dass die Eltern Wort halten und wiederkommen. Eine Erfahrung, die Frustration enthält, aber mit dem der Nachwuchs lebensnah lernt umzugehen.

Wer als Kind kein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln konnte und deshalb leichter kränkbar ist, muss sich mit seinem Schicksal nicht abfinden.

Durch einen bewussten Umgang mit sich selbst und Arbeit an der eigenen Psyche sowie den persönlichen Traumata ist es möglich, seine Widerstandskraft als Erwachsener zu stärken. Sie bewahrt zwar nicht davor, sich gekränkt zu fühlen, was als Mensch mit Gefühlen wichtig ist, aber sie schützt davor, durch Kränkungen krank zu werden.

Einer der besten Tipps: Kränkungen hinterfragen

Selbstverständlich gibt es Kränkungen, die mit voller Absicht erfolgen. Aber meistens ist das nicht der Fall. Vielmehr kratzen wir mit einer Bemerkung vielfach an etwas, dass Wardetzki wie folgt beschreibt: „An sich können wir keinen anderen Menschen kränken, denn wir kennen seine wunden Punkte nicht. Jede Kränkung trifft beim anderen aber an einen wunden Punkt, an eine Verletzung des Selbstwertgefühls, die vielleicht schon sehr zurückliegt. In der Regel werden Menschen von uns gekränkt, obwohl wir es weder beabsichtigen noch bemerken.“

Der erste Schritt bei Kränkungen ist, als gekränkte Person die Situation und seine Gefühle zu hinterfragen. Wieso fühle ich mich gekränkt? Du bist es nämlich selbst, der die Kränkung heilen kann. Nicht das Gegenüber.

Im nächsten Schritt ist es unerlässlich, mit der Person zu reden, die dich verletzt hat. Häufig erfolgte die Kränkung nicht mit Absicht. Und wenn dies doch der Fall sein sollte, dann gilt es zu klären, warum gekränkt wurde. Stellst du fest, dass dein Gegenüber dich immer wieder bewusst entwertet, demütigt und beleidigt, ist der Zeitpunkt da, diese Person aus dem Leben zu streichen. Es liegt demnach letztlich an dir, ob dich Kränkung krank macht. Verletzen wird sie dich, aber wie lange und tief diese Verletzungen sind, hängt von dir ab. Liegt hierin nicht viel Trost aufgrund der zurückeroberten Macht über sich selbst?

Wichtiger Hinweis: Die hier angebotenen Informationen und Gedankenanstöße dienen lediglich der Orientierung und ersetzen keine qualifizierte, medizinische, heilpraktische oder anderweitige fachliche Beratung, falls diese angezeigt ist.

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Publiziert am
Jun 6, 2022
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