chwere Krankheiten wie Krebserkrankungen beeinflussen nicht nur den Organismus, sondern auch die Psyche. Manche Betroffene sprechen sogar davon, sie haben während der Erkrankung ein Trauma erlitten, denn die psychische Belastung aufgrund der Operationen und Therapien war extrem hoch. Nach der Krankheit soll nun eine bessere Zeit beginnen. In einigen Fällen ist dies allerdings nicht so. Anstelle von unbändiger Freude über das Leben folgt ein Burnout. Paradox? Nein, durchaus typisch.
Krankheit überstanden und nun volle Kraft voraus
Schwere Erkrankungen ziehen sich oft über Jahre hinweg. Sie nehmen einen drastischen Einfluss auf den Alltag, die Angehörigen, die Finanzen und die Psyche. Ist alles überstanden, stürzen sich viele Ex-Kranke voller Tatendrang ins Leben.
Leider stellen sie dabei fest, dass das gar nicht so einfach ist.
Plötzlich zeigen sich Nachwirkungen der Behandlung, an die keiner vorher gedacht oder unterschätzt hat. So merken die Betroffenen auf einmal, dass ihre Leistungsfähigkeit rapide abgenommen hat. Das kann für leistungsbewusste Menschen so schrecklich sein, dass sie Selbstzweifel und letztlich ein Burnout entwickeln. Die Zeit der Krankheit hat sie ausgelaugt und an ihre Grenzen gebracht.
Ärzte unterschätzen häufig, wie lange sich die Folgen einer Therapie hinausziehen können. Sie glauben: „Die Krankheit ist besiegt und alles ist gut.“ Doch einige Behandlungen haben körperliche Konsequenzen. Der Betroffene fühlt sich schnell müde oder es entstanden Nervenschädigungen, die Füße und Hände taub machen. Mediziner bereiten ihre Patienten kaum auf diese Umstände vor, die allerdings lebenseinschneidend sein können. Sie bewirken eine chronische physische und geistige Erschöpfung, die letztlich in ein Burnout mündet.
Unverständnis im Umfeld
Nicht nur die behandelnden Ärzte unterschätzen häufig die Folgen für den Geist nach einer schweren Erkrankung, sondern auch das Umfeld.
Freunde und Familie freuen sich über die Genesung. Gisela, die eine Brustkrebserkrankung überlebte, sagt dazu: „Mein Mann und meine Kinder haben sich so gefreut, als meine Haare wieder wuchsen. Sie dachten, dass nun alles vorbei sei. Dementsprechend haben sie mich auch behandelt. Leider haben sie wie ich unterschätzt, welche Spätfolgen eine Krebserkrankung haben kann. Ich konnte mich im Alltag nicht mehr zurechtfinden. In meinen alten Job konnte ich nicht zurück, da ich oft rasch müde wurde und den Anschluss verpasst hatte. Aus all diesen Folgen entwickelte sich dann ein Burnout nach der Krankheit.“
Nicht gern spricht Gisela darüber, welche Gründe noch hinter ihrem Burnout stecken könnten. So hätte der Krebs bei ihr eine Art Trauma hinterlassen. Als der Arzt ihr die Krebsdiagnose gab und sie auf einen möglichen tödlichen Ausgang vorbereitete, sah sie sich in einer lebensbedrohlichen Situation. Sie hatte jedoch keine Zeit, sie zu verarbeiten. Zu schnell begann die lebensrettende Therapie. Und dann gab es da noch ihren Mann und ihre Kinder, für die sie stark sein sollte. Nach der Krebserkrankung brach dann die Trauer ein, die mit einer tiefen Verunsicherung einherging. Depressive Verstimmungen prägten ihren Alltag, da sie das Gefühl von Sicherheit verloren hatte. Dieses raubte ihr wiederum Zuversicht und Selbstbewusstsein, was das Burnout begünstigte.
Geldmangel und eine veränderte Sicht aufs Leben
Trotz einer verhältnismäßig guten medizinischen Absicherung in Deutschland, gehen langwierige, schwere Erkrankungen oft mit finanziellen Engpässen einher. Das belastet den Erkrankten und vielleicht sogar seine Familie. Ist die Erkrankung überstanden, liegt nun der Gedanke nahe, wieder auf das finanzielle Level von vorher zurückzukehren. Häufig ist das allerdings unmöglich. Die Betroffenen können oder wollen nicht zurück in ihren alten Job. Das kann für zusätzlichen Stress sorgen.
Darüber hinaus verändern viele Personen nach einer schweren Krankheit ihre Sichtweise aufs Leben.
Ihre Werte verschieben sich hin zu einem genussvolleren und weniger materiellen Dasein. Das Umfeld hat seine Ansichten jedoch oft beibehalten. Kontakte zur Familie, Freunden und Arbeitskollegen können darunter leiden. Der Ex-Erkrankte fühlt sich unverstanden. Er weiß nicht, wohin mit sich und seinen Lebenseinstellungen. Das kann eine Spirale von traurigen Gedanken auslösen, die sich nur mit größter Mühe durchbrechen lässt.
Wo ist der Ausweg aus einem Burnout nach Krankheit?
Ein Burnout nach einer Krankheit zu entwickeln, ist nicht selten. Am besten ist, wenn sich Betroffene noch während ihrer Erkrankung auf diese Möglichkeit vorbereiten. Dadurch steigen die Chancen, gar nicht erst in einen Zustand der chronischen Erschöpfung zu verfallen. Darüber hinaus ist es wichtig, nicht die sozialen Kontakte wegen der Krankheit komplett abzubrechen. Wer weiterhin mit Arbeitskollegen oder Freunden spricht, der verliert zu ihnen nicht den Anschluss.
Wer während und nach der Krankheit seine Sicht auf die Welt ändert, sollte dies seinen Vertrauten mitteilen.
Manchmal verändert die Krankheit den Menschen auf eine positive Weise und das darf beibehalten werden. Für Angehörige mag das nicht immer leicht zu akzeptieren sein, aber durch intensive Gespräche lässt sich oft Verständnis finden. Sollten die Wege zu weit auseinanderdriften, ist eine komplette Umgestaltung des eigenen Lebens denkbar. Niemand sollte sich in ein Dasein hineindrängen lassen, was ihm wie ein Käfig vorkommt.
Letztendlich ist es positiv zu bewerten, wenn man egal, ob durch die eigene Erkrankung oder den beinahen Verlust eines Menschen das Leben an sich intensiver zu schätzen gelernt hat. Solche Erlebnisse zeigen einem deutlich, worauf es letztendlich wirklich im Leben ankommt und wie kostbar und wichtig echte Beziehungen und Freundschaften sind.
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